Für unseren JG-Familienverband ist das Thema „Flüchtende“ keines aus dem Jahr 2015, es ist brandaktuell, wie die erneute Bewegung flüchtender Menschen innerhalb von Syrien in diesen Tagen und auch das Geldstrafenurteil gegen den Kapitän der zivilen Seenotrettungsinitiative „mission lifeline“ zeigt. Deshalb nehmen wir nicht nur auf der Europäischen Ebene, im Vorfeld der EuropaWahlen am 26.Mai.2019 Stellung, sondern wenden uns auch an unsere Zivilgesellschaft in Deutschland, an uns Christ*innen, unsere Behörden und unsere Regierung.
Wir haben unsere Forderungen zu diesem Themenkomplex wie folgt formuliert:
Familienverband Junge Gemeinschaft fordert Wende in der Flüchtlingspolitik
„Wie Europa und Deutschland mit vielen geflüchteten Menschen umgehen, ist weder christlich noch human oder angemessen!“ So beurteilt die Junge Gemeinschaft (JG), der Familienverband im Bistum Münster, zentrale aktuelle Weichenstellungen der Flüchtlingspolitik. Die JG verlangt eine Wende hin zu einer Politik, die dem christlichen Menschenbild, den Werten des Grundgesetzes und dem Geist der Europäischen Menschenrechtskonvention entspricht. Konkret verlangt die JG, Ertrinkende zu retten, Integration zu fördern, Bildung und Arbeit zu ermöglichen, Familien zusammenzuführen, Abschiebehaft zu vermeiden und werteorientiertes Engagement zu stärken.
Ertrinkende retten
Im Jahr 2018 ertranken laut UNHCR bei der Flucht über das Mittelmeer insgesamt mindestens 2.500 Menschen. Sechs Tote pro Tag, von denen viele gerettet werden könnten. Die Bilder von Kindern, Frauen und Männern in Schlauchbooten sind uns allen vor Augen. Nur mit einer Schwimmweste am Körper sind die Menschen dem Meer ausgeliefert. Aber was tat die EU? Sie hat die Schiffe ihrer Sophia-Mission, einer umstrittenen Militäraktion, von der zunächst auch Ertrinkende gerettet wurden, erst von den Fluchtrouten abgezogen, dann ihren Einsatz komplett beendet. Damit nimmt die EU das Sterben von immer mehr Menschen billigend in Kauf. Es ist unerträglich und mit einem christlichen Menschenbild nicht vereinbar, im Wissen um den drohenden Tod untätig zu sein. Die Pflicht zur Seenotrettung ist eine im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen festgeschriebene Verpflichtung und damit international gültiges Völkerrecht! Die JG fordert von der EU, dieser Verpflichtung uneingeschränkt nachzukommen.
Integration fördern
Geflüchtete im laufenden Asylverfahren, die sich in Deutschland aufhalten, dürfen neuerdings in NRW und einigen anderen Bundesländern bis zu zwei Jahren in Landesaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden, Personen aus sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ sogar bis zu ihrer Ausreise oder Abschiebung. In vielen dieser Unterkünfte mangelt es an Privatsphäre. Häufig gibt es keine persönlichen Räumlichkeiten, oft ist auch jegliche private Verpflegung ausgeschlossen. Wer hier leben muss, hat keinen Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Sprach- und Integrationskursen oder zur Schule. Viele der Unterkünfte liegen am Rand oder abseits von Orten, es besteht kaum Anschluss an das gesellschaftliche Leben (Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte, Beratungsstellen usw.). Für Geflüchtete, die am Ende anerkannt oder geduldet sind und dauerhaft in unserer Gesellschaft leben, ist die Zeit in einer Landesaufnahmeeinrichtung eine für die Integration verlorene Zeit. Aus Sicht der JG sind solche Unterkünfte allenfalls für die ersten Tage nach der Ankunft in Deutschland geeignet, nicht jedoch für einen längeren oder dauerhaften Aufenthalt. Die JG fordert die Begrenzung der zentralen Unterbringung auf einen möglichen kurzen Zeitraum.
Bildung und Arbeit ermöglichen
Wer zu uns geflüchtet ist und dauerhaft bei uns bleibt, braucht Gelegenheit, sich schnell zu integrieren. Je nach Alter und Vorkenntnissen brauchen Geflüchtete Plätze in Kindertageseinrichtungen, Schulen, Sprach- und Integrationskursen. Nur so kann sich langfristig eine Chance auch auf Teilhabe am Erwerbsleben ergeben. Fehlt es daran, kann dies negative Auswirkungen auf die psychische Verfassung der Geflüchteten haben und die spätere Integration wesentlich erschweren. Die JG fordert deshalb, allen Geflüchteten so schnell wie möglich nach der Ankunft in Deutschland Zugänge zu Bildung und Gelegenheit zur Erwerbsarbeit zu verschaffen.
Familien zusammenführen
Zurzeit dürfen maximal 1.000 Menschen pro Monat nach Deutschland einreisen, um zu ihren als ‚subsidiär Geschützten‘ anerkannten Familienmitgliedern zu ziehen. Die Anzahl der tatsächlich erfolgten Zusammenführungen liegt laut Pro Asyl weit darunter. Sowohl im Grundgesetz Artikel 6 wie auch in der UN-Menschenrechtskonvention wird die Schutzbedürftigkeit von Familien als besondere Verpflichtung für die Gesellschaft und den Staat festgelegt. Dieser Schutz muss für alle Familien gelten, unabhängig davon, an welchem Ort sie leben. Dementsprechend ist eine kurzfristige Zusammenführung oder ein Nachzug eine logische Konsequenz dieser Gesetze. Als Familienverband im Bistum Münster weiß die JG um das besondere Potential der familiären Beziehungen, die es ermöglichen, auch schwierige Lebenslagen gemeinsam zu bewältigen. Gerade Geflüchteten, die wegen existenzieller Bedrohung aus ihrer Heimat geflohen sind, muss die Möglichkeit gegeben werden, sich gegenseitig zu stützen und so eine neue Lebensperspektive zu entwickeln.
Abschiebehaft vermeiden
Die große Mehrheit der Menschen, die nach Europa fliehen, ist nicht kriminell. Viele flüchten vor Krieg, Terror und Gewalt, wurden bedroht, diskriminiert, verfolgt. Andere flüchten aus Armut, Elend und Hunger, um des nackten Überlebens willen. Wer nicht als Kriegsflüchtling zeitweiliges Bleiberecht bekommt oder als politisch Verfolgter anerkannt wird, soll laut Aussage politisch Verantwortlicher abgeschoben werden. Damit diese Menschen nicht vor einer Abschiebung abtauchen können, wollen politisch Verantwortliche sie bis zum Tag der Abschiebung in Gefängnissen wegschließen. Gefängnis für Menschen, nur weil sie sich zu uns geflüchtet haben? Die JG lehnt Abschiebehaft für Geflüchtete in aller Regel als unmenschlich und unverhältnismäßig ab und fordert die politisch Verantwortlichen auf, davon abzulassen. Im Übrigen ist die JG der Auffassung, dass in Deutschland ein Einwanderungsgesetz fehlt.
Werteorientiertes Engagement stärken
Wer sich im Sinne von Werten engagiert, die Fundamente der Gesellschaft sind, seien sie in der christlichen Soziallehre, im deutschen Grundgesetz, in der Europäischen Menschenrechtskonvention oder im Völkerrecht grundgelegt, verdient Wertschätzung und Förderung durch politisch Verantwortliche. Nicht hinnehmbar ist es, wenn Organisationen wie ATTAC, Deutsche Umwelthilfe, Flüchtlingsräte oder Pro Asyl, deren Engagement auf oben angesprochenen Werten basiert, die Gemeinnützigkeit entzogen wird, um sie finanziell zu schädigen und ihre Arbeit zu erschweren. Nicht akzeptabel ist es auch, wenn lebensrettendes Engagement auf Rettungsschiffen im Mittelmeer torpediert wird. Genauso wenig nachvollziehbar ist es, wenn jetzt Menschen kriminalisiert werden sollen, nur weil sie als Engagierte in der Flüchtlingshilfe Informationen zu Abschiebeverfahren weitergeben. Die JG fordert die politisch Verantwortlichen dazu auf, dieses wichtige Engagement wieder wertzuschätzen und zu unterstützen. Zeitweilig Regierende dürfen nicht der Versuchung der Macht erliegen, werteorientierendes Engagement zu zerstören, nur weil es ihnen missliebig erscheint.
Dieser Text wurde im Namen der Diözesanversammlung der Jungen Gemeinschaft , der ehrenamtlichen Diözesanleitung und der hauptamtlichen MitarbeiterInnen der JG im Frühjahr 2019 verfasst.
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